Die Poliomyelitis oder Polio, die auf Deutsch auch Kinderlähmung genannt wird, ist eine Infektionskrankheit, die durch Polioviren hervorgerufen wird. Sie befällt bei nicht geimpften Personen die muskelsteuernden Nervenzellen des Rückenmarks und kann zu bleibenden Lähmungserscheinungen bis hin zum Tod führen. Von Polio sind in der Mehrzahl Kinder zwischen dem dritten und achten Lebensjahr betroffen, gelegentlich erkranken aber auch Erwachsene. Weil es sich um eine durch Viren ausgelöste Erkrankung handelt, existiert bis heute keine ursächliche Behandlung. Durch konsequente Impfung konnte Polio in Deutschland und in den meisten Industrieländern vollständig beseitigt werden.
Durch Impfmüdigkeit und Fernreisen steigt das Infektionsrisiko
Die Gefahr einer Polio-Infektion scheint gebannt, dennoch kann keine Entwarnung gegeben werden, da die Impfmüdigkeit in den Industrienationen zunimmt und zudem in vielen Ländern der Welt keine allgemeine Durchimpfung der Bevölkerung besteht.
Der Erreger der Poliomyelitis ist außer in den Polargebieten überall auf der Welt zu finden. Vor allem durch eine konsequente Durchführung von Impfmaßnahmen ist das häufige Auftreten der Erkrankung auf Gebiete in Asien und Afrika zurückgedrängt worden. Die letzte offiziell registrierte Ansteckung in Deutschland erfolgte 1990, die letzten eingeschleppten Infektionen wurden 1992 registriert. 1992 ereignete sich in den Niederlanden die letzte Polioepidemie in Westeuropa. Momentan gibt es weltweit etwa 1.500 Neuerkrankungen pro Jahr, wobei aktuell vor allem Indien, Nigeria, die demokratische Republik Kongo, Pakistan, Afghanistan und Myanmar betroffen sind.
Die Weltgesundheitsorganisation hat es sich zum Ziel gesetzt, Polio ähnlich wie die Pocken in den nächsten Jahrzehnten vollständig auszurotten. Dies kann aber nur gelingen, wenn weltweit eine nicht nachlassende Impfbereitschaft besteht. Dies ist aber nicht überall der Fall und durch die zunehmende Zahl von Fernreisen erhöht sich das Risiko, dass nicht geimpfte Personen sich mit Polio infizieren.
Das Virus gilt als gut erforscht und weist zudem über Jahre kaum Veränderungen auf, was die Möglichkeit einer weltweiten Ausrottung noch erhöht. Insgesamt existieren drei Virustypen, bei denen keine Kreuzimmunität besteht. Das bedeutet, dass man sich nach der Infektion mit einem Virustyp trotzdem noch mit den beiden anderen anstecken kann.
Übertragungswege für Polioviren
Polioviren werden vor allem unter schlechten hygienischen Bedingungen durch verschmutzte Gegenstände oder Hände übertragen und über den Verdauungstrakt aufgenommen. Auch ein Übertragung durch Tröpfcheninfektion ist bei diesem Virus möglich. Die Polioviren befallen die Lymphknoten und verbreiteen sich über die Blutbahn. Dabei gelangen sie in die Nervenzellen im Rückenmark, welche die Muskeln erreichen und steuern.
Als Reaktion auf die Infektion wandern körpereigene Abwehrzellen ins Rückenmark, wobei die Entzündung letztendlich die Nervenzellen zerstört. Die Folgen sind mehr oder weniger stark ausgeprägte Lähmungen, vorwiegend an den Beinen. Auch das Gehirn kann von den Viren befallen werden, so dass Sprech- und Schluckstörungen, aber auch Beeinträchtigungen der Atmung auftreten können. Die Letalität liegt bei den schweren Formen bei bis zu 20 Prozent.
Therapie bei Kinderlähmung
Weil es keine ursächliche, antivirale Therapie gegen Polio gibt, beschränkt sich die Behandlung auf symptomatische Maßnahmen. Diese bestehen in Bettruhe und physikalischer Therapie. Gegebenenfalls werden auch Schmerzmittel empfohlen.
Der Impfstoff
Die Impfung gegen Kinderlähmung ist ein so genannter Totimpfstoff, der aus den abgetöteten Viren besteht. Diese können die Krankheit nicht mehr auslösen. Die früher übliche Schluckimpfung wird heute nicht mehr genutzt, da es sich bei dieser um einen Lebendimpfstoff handelte, der in einer von fünf Millionen Impfungen selbst Kinderlähmung auslöste. Um dieses Risiko auszuschalten, wird seit 1998 der Totimpfstoff in Spritzenform empfohlen. Dieser wird in einen Muskel gespritzt und die Grundimmunisierung findet bereits bei Säuglingen zusammen mit anderen Standardimpfungen statt. Die Impfung muss zwischen dem 9. und dem 17. Lebensjahr aufgefrischt werden und anschließend sollte man sich alle zehn Jahre erneut impfen lassen.