Das Raja-Yoga, auch genannt der Königsweg des Yoga, ist einer der vier klassischen Yoga-Pfade (die anderen Pfade sind Karma-, Jnana- und Bhakti-Yoga). Im Vergleich zu Hatha-Yoga, der stärker körperlich ausgerichteten Variante, ist Raja-Yoga stärker geistig ausgerichtet: Über acht Stufen soll Raja-Yoga den Menschen durch eine ständig verfeinerte Wahrnehmungsfähigkeit für die inneren (geistig-seelischen) Prozesse in höhere geistige und spirituelle Dimensionen führen.
Der Begriff ‘Raja-Yoga’ ist in einer Quellenschrift aus dem 15. Jahrhundert erstmals belegt, in der ‘Hatha Yoga Pradipika’. Swami Vivekananda (1863 – 1902), Schüler des hinduistischen Mystikers Ramakrishna Paramahansa (1836 – 1886), machte Raja-Yoga im Westen bekannt. Große Aufmerksamkeit erregte sein Vortrag als Vertreter des Hinduismus beim Weltkongress der Religionen in Chicago vom 11. bis 27. September 1893.
Im Kurma-Purana, einer der 18 bedeutendsten vedischen Schriften, wird Raja-Yoga beschrieben. Swami Vivekananda übersetzte die im Kurma-Purana enthaltenen acht Entwicklungsstufen des Raja-Yoga und fasste sie zusammen:
Die acht Stufen des Raja-Yoga
1) Yama – fünf Dinge, derer man sich enthalten soll: nicht töten, nicht lügen, nicht stehlen, keine Geschenke annehmen, nicht nach Sinneslust streben.
2) Niyama – fünf Gewohnheiten, die man annehmen soll: Reinheit, Zufriedenheit, Disziplin, Studium der Veden und Mantras, Hingabe an das Göttliche.
3) Asana – die rechte Körperhaltung für die Meditation, also eine aufrechte Haltung, in der man mühelos über längere Zeit sitzen kann.
4) Pranayama – Yoga-Übungen, mit deren Hilfe man über verschiedene Atemtechniken die Lebensenergie im Körper lenken und beherrschen kann.
5) Pratyahara – Verinnerlichung oder Rückzug der Sinneswahrnehmung.
6) Chakra – andauernde Konzentration auf das Herz- oder auf das Kronenchakra.
7) Dhyana – Meditation, die hier Konzentration an sich bedeutet, ohne ein Objekt, auf das sich die Konzentration richtet.
8) Samadhi – die höchste Stufe des Raja-Yoga, die vollständige Erkenntnis des eigenen Selbst, der Einheit (Advaita), mit allem, was ist. Diese Stufe, im Westen oft ‘Erleuchtung’ genannt, bringt Freiheit von Angst und unaussprechliche Glückseligkeit und innere Ruhe mit sich.