16 bis 30 Prozent aller jungen Eltern kennen die Situation: Ohne erkennbaren Grund schreien Babys über Stunden, krümmen sich mit hochrotem Kopf zusammen und lassen sich durch nichts beruhigen. Die Namen des Phänomens: Dreimonatskolik, exzessives Schreien oder Regulationsstörung. Von der zweiten Lebenswoche bis zum dritten Lebensmonat schreien die betroffenen Säuglinge mehrere Stunden am Tag an mehreren Tagen in der Woche.
Früher war von der Dreimonatskolik die Rede, da man angesichts des noch unausgereiften Verdauungssystems von Säuglingen davon ausging, dass die Kleinen von schmerzhaften Koliken gepeinigt würden. Dies trifft jedoch nicht auf alle Schreibabys zu. Da exzessives Schreien in den seltensten Fällen durch eine echte Kolik verursacht wird und die unterschiedlichsten Hintergründe haben kann, findet der umgangssprachliche Begriff der Dreimonatskolik in Fachkreisen kaum noch Anwendung. Wenn es um Schreibabys geht, sprechen Kinderärzte und Kinderpsychologen von einer „Regulationsstörung im Säuglingsalter“.
Symptomatik des exzessiven Schreiens
Die Symptomatik des „Exzessiven Schreiens“ wurde vom amerikanischen Kinderarzt Morris Wessel bereits 1954 beschrieben. Dessen bis heute anerkannte „Dreierregel“ legt fest, ab wann man vom exzessiven Schreien oder auch von einer Regulationsstörung im Säuglingsalter sprechen kann. Demzufolge liegt die Symptomatik vor, wenn
- ein Baby für mindestens drei Wochen an mindestens drei Tagen in der Woche und mehr als drei Stunden am Tag schreit, ohne sich beruhigen zu lassen.
Weitere detaillierte Symptome von Regulationsstörungen sind:
- akut auftretende Phasen des Schreiens ohne erkennbare Ursache,
- aufgeblähter harter Bauch, stark gerötete Haut, angespannte Muskulatur, angezogene Beine (Symptome der „Dreimonatskoliken“),
- der Säugling reagiert nicht auf Beruhigungshilfen,
- kurze Tagschlafphasen von weniger als 30 Minuten Dauer, begleitet von Einschlafproblemen,
- abendliche Übermüdung und Überreizung, weshalb sich das unstillbare Schreien verstärkt auf den Abend konzentriert.
Üblicherweise tritt die Symptomatik des exzessiven Schreiens von der zweiten Lebenswoche bis etwa zum dritten Lebensmonat eines Säuglings auf, weshalb sich der umgangssprachliche Begriff der Dreimonatskoliken lange Zeit etabliert hatte. Der Schreiattacke muss zunächst noch nicht einmal ein körperlicher Schmerz vorausgehen. Vielmehr leiden die ohnehin sehr sensiblen Schreibabys unter innerer Unruhe oder der am Abend typischen Überreizung. Beim Schreien verschlucken die Babys viel Luft, die sich im Verdauungstrakt ansammelt und zu Blähungen führt. Die Folge: Die Babys schreien jetzt vor Schmerzen, ziehen die Beinchen an und krümmen sich zusammen.
Ursachen, Diagnose und Ausschluss anderer Krankheiten
Tatsächlich sind die Ursachen der im Säuglingsalter auftretenden Regulationsstörungen nicht restlos geklärt. Gegenwärtig werden mehrere Faktoren diskutiert. Die Gründe des exzessiven Schreiens können sowohl physischer als auch psychischer Natur sein. Außerdem spielen der soziale Hintergrund und die familiäre Situation eine wichtige Rolle. Auch könne exzessives Schreien auf einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren beruhen.
Da sich Babys nicht über ihre Beschwerden äußern können, bleibt ihnen nur der Weg über das Schreien. Deswegen sind eindeutige Diagnosen nicht immer einfach. Um andere Krankheiten auszuschließen, müssen Eltern eines Schreibabys einen Kinderarzt konsultieren.
Ursachen für das Schreien können in Einzelfällen echte Koliken infolge von Nahrungsmittelunverträglichkeit oder Beschwerden aufgrund der Nahrungsumstellung nach dem Stillen sein. Außerdem müssen von ärztlicher Seite allgemeine organische Schäden und Knochenbrüche ausgeschlossen werden.
Schreiambulanzen & Beratungsstellen
Im gesamten Bundesgebiet gibt es Schreiambulanzen und Beratungsstellen, die sich ausschließlich auf die Symptomatik des exzessiven Schreiens bzw. auf Regulationsstörungen im Säuglingsalter und Kindesalter spezialisiert haben. Kinderpsychologen, Kinderärzte, Hebammen und Familientherapeuten wissen um den zusätzlichen Stress, dem auch die Eltern eines Schreibabys ausgesetzt sind. In intensiven Gesprächen werden die infrage kommenden Faktoren wie der familiäre Hintergrund, vorangegangene Krankheiten und Ernährungsgewohnheiten analysiert sowie Lösungsmöglichkeiten besprochen.
Beratungsstellen und Schreiambulanzen in der Nähe können bei den behandelnden Kinderärzten erfragt werden. Zudem gibt es eine Reihe von Initiativen und Webseiten, die sich mit der Thematik „Schreibabys“ befassen und entsprechende Beratungsstellen auflisten. Solche Listen werden unter anderem von diesen Anbietern veröffentlicht:
» www.eltern.de
» www.schreibaby.de
Tipps für Eltern von Schreibabys
Je nach Situation gibt es geeignete Methoden, die ein Schreibaby im akuten Fall aber auch auf längere Sicht beruhigen können. Dazu zählen unter anderem:
- Fliegergriff
Das Baby wird mit dem Bauch nach unten auf den Unterarm gelegt. Dadurch werden leichte Blähungen gelöst, bevor sie Schmerzen verursachen.
- Federwiege
Federwiegen gleichen einer auf und abschwingenden Hängematte. Der Stoff der Federwiege bildet eine geschlossene und damit reizarme Umgebung. Zudem können sich durch die Schwingungen Blähungen einfacher lösen.
- Pucken
Unter Pucken versteht man das enge Einwickeln des Babys. Für viele Eltern ist der Anblick erst einmal gewöhnungsbedürftig, da der Säugling seine Arme und Beine nicht bewegen kann und wie gefangen scheint. Vielen Babys fehlt nach der Geburt jedoch die im Mutterleib erlebte behagliche Begrenzung. Säuglinge können bis zum Alter von drei Monaten ihre Arme und Beine nicht kontrolliert bewegen. Der so genannte Moro-Reflex (angeborener Klammerreflex) lässt die Babys im Schlaf schreckhaft erwachen, sodass sie zu schreien beginnen. Durch Pucken kann dies vermieden werden. Jedoch reagieren nicht alle Babys gleich, denn viele fühlen sich durch das Pucken eingeengt. Hierbei ist die Sensibilität der Eltern gefragt.
- Tragen
Tragetücher und andere Tragehilfen wirken Wunder, wenn das Baby vor lauter Unruhe nicht einschläft. Die körperliche Nähe zu den Eltern spielt generell bei allen Babys eine nicht zu unterschätzende Rolle. Werden Schreibabys eng am Körper getragen und sanft geschaukelt, vermittelt dies ihnen ein verstärktes Gefühl der Geborgenheit.
Generell tragen ein entspanntes Familienumfeld und eine liebevolle Eltern-Kind-Beziehung dazu bei, dass sich Schreibabys schneller wieder beruhigen.