Rund drei bis vier Millionen Deutsche leiden am sogenannten Borderline-Syndrom. Dabei ist dieses Krankheitsbild so vielfältig, dass es oftmals nur sehr schwer diagnostiziert werden kann. Das Borderline-Syndrom kann Ausprägungen von Depressionen über Alkohol-, Drogen- und Sexsucht bis hin zu echten Identitätsproblemen, starker Aggressivität und sogar Selbstmord mit sich bringen.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Borderline Syndrom – Definition
- 2 Borderline Syndrom & Ursachen
- 3 Borderline Syndrom & Wer ist betroffen?
- 4 Borderline & Selbstverletzung bis hin zum Selbstmord
- 5 Borderline Syndrom – Diagnose ist sehr schwierig
- 6 Borderline – Typische Verhaltensmuter erkennen
- 7 Borderline Syndrom – Therapie
- 8 Ritzen – Spezielle Form des Borderline
- 9 Ritzen & Schwere Erkrankung der Psyche
- 10 Ritzen – Folgeerkrankungen
- 11 Ritzen & Keine Frage der Intelligenz
- 12 Autoaggression – ein sichtbar gemachter Hilferuf
- 13 Niemals wegschauen!
Borderline Syndrom – Definition
Die Borderline-Störung ist in den letzten 20 bis 30 Jahren zu einer offiziell anerkannten Störung der Psyche geworden. Hierbei sind nicht vorhersehbare Gefühlsschwankungen, starker Wechsel von Hass und Anziehung zu anderen Menschen zu finden. Das Ich-Gefühl ist bei Betroffenen nicht kontinuierlich ausgeprägt, sonder als sehr instabil wahrzunehmen.
Borderline-Betroffene können oftmals selbst nicht nachvollziehen, warum sie in einer Situation ein besonderes Verhalten gezeigt haben. Dabei leiden Betroffene an oftmals nicht mehr aushaltbaren Spannungen der Seele. Sowohl Einsamkeit als auch Nähe werden nur als sehr schwer zu ertragen empfunden. Das Zusammenleben mit einem Borderline-Betroffenen ist sehr schwierig.
Borderliner können sehr wohl Kontakte knüpfen, dieses soziale Netz allerdings zu pflegen und auszuweiten, ist für den Betroffenen fast unmöglich. Gerade Borderliner projizieren oftmals ihr ganzes Sozialleben auf eine bestimmte Person, weiten das soziale Netz aber nicht aus.
Borderline Syndrom & Ursachen
Die Ursachen für das Borderline-Syndrom, das umgangssprachlich auch als “Ritzen” bezeichnet wird, basieren auf starken Instabilitäten im emotionalen Bereich. Schon 1938 wurde der Begriff “Grenzlinie” von einem amerikanischen Psychoanalytiker geprägt. Borderline-Störungen sind inzwischen ein verbreitetes Krankheitsbild, dessen Ursache sehr häufig in der Kindheit gesucht werden kann. Psychologen sehen eine gestörte oder belastete Beziehung zu Mutter oder Vater als den Hintergrund für diese Störung. So können Misshandlungen und Vernachlässigungen, aber auch sexueller Missbrauch zu dieser Störung führen. Von Psychologen werden aber Anteile von 70 Prozent der Boderline-Patienten auf sexuellen Missbrauch zurückgeführt.
Borderline Syndrom & Wer ist betroffen?
Etwa zwei Prozent der Bevölkerung sind von der Borderline-Störung betroffen. Dabei sind die meisten Patienten jünger als 30 Jahre. Während nur 25 Prozent der Patienten männlichen Geschlechts sind, stellen die restlichen 75 Prozent weibliche Patienten. Ungefähr 30 Prozent der Betroffenen haben zumindest einmal aufgrund ihrer Hintergründe einen Selbstmordversuch hinter sich gebracht.
Borderline & Selbstverletzung bis hin zum Selbstmord
Menschen mit Borderline nehmen ihren Körper oftmals nicht wahr. Hier erfolgt eine Selbstverletzung, um den eigenen Körper wieder zu fühlen. Nicht selten bestimmen bei Borderline-Betroffenen Panik und Angst, Depressionen und Beziehungsprobleme das Leben. Die Betroffenen fühlen sich in sich selbst und mit sich selbst gefangen. Borderliner neigen dabei aber nicht nur gegen sich selbst, sondern auch gegen andere verstärkt zu Gewalt. Weitaus häufiger als Gewaltakte gegen andere kommen aber Gewalteinwirkungen auf den eigenen Körper vor. Sowohl mit Messern und Feuer als auch mit Nadeln wird hier gearbeitet. Die schlimmste Art der Gewalt gegen den eigenen Körper ist letztlich der Selbstmord des Betroffenen.
Borderline Syndrom – Diagnose ist sehr schwierig
Borderline ist ein Begriff, der sehr vielfältig ist. Hierbei wird generell die Möglichkeit auf Grenzüberschreitung umschrieben. Der Betroffene versucht mit verschiedenen Möglichkeiten das an die Öffentlichkeit treten zu lassen, was ihn innerlich betrifft und oftmals auch auffrisst. Dabei ist Borderline oftmals eine Gratwanderung zwischen Normalität und Wahnsinn. Sehr viele Symptome passen zu dieser Erkrankung, so dass die Diagnose Borderline sehr schwer ist.
Borderline – Typische Verhaltensmuter erkennen
Mittlerweile sind typische Verhaltensweisen herausgearbeitet worden, die bei Borderlinern sehr häufig zu finden sind.
- Zunächst bestehen sehr verzweifelte Versuche, ein Verlassenwerden zu verhindern. Der Borderliner hat häufig das Gefühl, ohne den Partner nicht mehr leben zu können.
- Der Borderliner lebt ein klassisches Muster von zwischenmenschlichen Beziehungen. Hier ist ein krasser Wechsel von starker Idealisierung und ebenso intensiver Abwertung zu verzeichnen. Entweder versteht sich der Borderliner mit seinem entsprechenden Partner sehr gut oder er empfindet diese Nähe als bedrohlich oder stark beengend.
- Der Borderliner hat in der Regel starke Identitätsstörungen hinsichtlich seines Selbstbildes oder auch seiner Selbstwahrnehmung. Einige Betroffene empfinden ihren Körper als eine Hülle, die leer ist und keiner weiteren Aufmerksamkeit bedarf.
- Der Borderliner handelt in der Regel sehr impulsiv und oft auch sehr selbstschädigend. Das gilt sowohl für den Umgang mit Alkohol als auch mit Drogen oder Einkäufen und Essen. Auch Ladendiebstähle sind typische Verhaltensmuster von Borderlinern.
- Der Borderliner hat häufig ein wiederholt auftretendes suizidales Verhalten. Er droht Selbstmord an oder schneidet oder verbrennt sich. Auch die Haare oder Nägel werden oftmals ausgerissen.
- Der Betroffene ist nicht in der Lage, seine Gefühle zu steuern. Große Schwankungen zwischen Depressionen und Glück sind ebenso regelmäßig auftretende Gefühle wie vermeintlich unbegründete Ängste. Der Betroffene ist diesen Gefühlen hilflos ausgeliefert.
- Chronische innere Leere ist ein weiteres typisches Gefühl von Betroffenen.
- Auch unangemessene starke Wut und Probleme, diese Wut zu kontrollieren, gehören zu den klassischen Verhaltensweisen von Betroffenen. Mancher Betroffene kann sich nicht kontrollieren und greift sogar Menschen mit Gegenständen an. Tagelange gereizte Stimmung ist weiterhin klassisch für Borderliner.
- Der Betroffene hat oftmals auch stressbedingte paranoide Vorstellungen oder verliert das Gefühl für die Wirklichkeit. Die Sinneswahrnehmungen wie Schmerzempfinden sind bei Betroffenen stark reduziert. Betroffene erleben häufig die gefürchteten Flashbacks, also das Auftauchen von traumatischen Erlebnissen aus der Vergangenheit. Auch Halluzinationen können zum Krankheitsbild passen.
Borderline Syndrom – Therapie
Der Borderline-Betroffene muss sich unbedingt in psychotherapeutische Behandlung begeben. Diese erfolgt sowohl ambulant als auch stationär. Dabei können sowohl Einzel- als auch Gruppentherapien sehr sinnvoll sein.
Die übliche Vorgehensweise bei der Therapierung von Borderline ist, zunächst die Gefahr der Selbstverletzung und des Selbstmordes auszuschalten. Erst dann erfolgt die Stabilisierung im Hinblick auf Achtsamkeit für das eigene Gefühl.
Im weiteren Therapieverlauf erlernt der Betroffene einen sinnvollen Umgang mit den eigenen Gefühlen. Dazu gehört auch das rechtzeitige Erkennen von Wahrnehmungen. Wichtiges Lernziel bei der Therapierung von Borderline ist auch das kompetente Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen.
Parallel hierzu erlernt der Patient einen Umgang mit sogenannten Krisenplänen. Hier kann eine Auflistung erfolgen, wie man sich in bestimmten Situationen selbst wieder beruhigen oder von der Situation ablenken kann.
Die Gruppentherapie ist beim Borderline sehr wichtig, um Verhaltensweisen mit anderen Menschen zu trainieren und eine Pflege von sozialen Beziehungen zu erlernen. Dabei werden häufig Rollenspiele und Videoaufzeichnungen als Hilfsmittel genutzt.
Das Ziel der Therapie ist ein Erlernen von positiver Selbstbewertung, eine Verbesserung der Kommunikation sowie das Einlassen auf soziale Beziehungen.
Die Aufarbeitung der Auslöser des Borderline wird erst später vorgenommen. Erst wenn der Patient Perspektiven für sein eigenes Leben entwickelt hat, kann weiterhin auf die Gründe für die Entwicklung des Borderline eingegangen werden. Hier sind die klassischen Therapien Gestaltungs-, Musik- und Tanztherapie sowie Sport, Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung. Besonders die Bewegungstherapie ist hier sehr wichtig um den Körper in all seinen Funktionen wieder wahrzunehmen – was für Borderline-Betroffene oftmals innerhalb der Erkrankung unmöglich ist.
Ritzen – Spezielle Form des Borderline
Rund 800.000 Menschen in Deutschland “ritzen” sich regelmäßig, verletzen sich damit am eigenen Körper. Diese Erkrankung wird auch als Autoaggression bezeichnet. Dabei sind die genannten 800.000 Menschen nur eine offizielle Zahl, denn die Dunkelziffer der Betroffenen ist deutlich höher einzuschätzen.
Ritzen ist die durch die Medien bekannte Form der Autoaggression geworden. Aber auch das Ausreißen von Haaren, das Verbrennen und Beißen, das Stechen mit Nadeln oder das Kopfschlagen gehören zu den typischen Verhaltensweisen der Autoaggression. In der Regel sind speziell die Patienten, die sich ritzen zwischen 14 und 20 Jahren alt. Durch Ritzen versuchen Betroffene Druck loszuwerden und viele Betroffene beschreiben, dass sie sich nach dem Ritzen deutlich erleichtert fühlen.
Ritzen & Schwere Erkrankung der Psyche
Anders als in der breiten Bevölkerung angenommen, handelt es sich beim Ritzen nicht um eine neue modische Erscheinung bei jungen Leuten, sondern um eine sehr ernst zu nehmende und schwere Erkrankung der Psyche. Die Selbstverletzung ist für die eigene Gesundheit ebenso gefährlich wie für die Psyche. Die Erkrankung wird sich nicht von selbst auflösen, wie viele Eltern oftmals hoffen. Ein Betroffner muss dringend in eine Therapie, die letztlich auch die Traumbewältigung nach sich zieht – eben die Ergründung der Auslöser für das Ritzen.
Nicht selten verbluten Betroffene beim Ritzen sogar und so sollten Erwachsene nicht wegschauen, wenn sie feststellen, dass ein Jugendlicher sich ritzt. Geschocktes und vorwurfsvolles Verhalten sollten Eltern vermeiden, auch wenn sie das Ritzen des eigenen Kindes betroffen und schuldbewusst macht. Nur mit einer rechtzeitig und umfassend durchgeführten Therapie kann das Problem bewältigt werden und die Autoaggression in den Griff gelangen.
Ritzen – Folgeerkrankungen
Die Gesundheitsgefährdung durch Ritzen ist sowohl den Eltern als auch den Betroffenen selbst in der Regel nicht bekannt. Die Gesundheitsgefährdung wird von jugendlichen Ritzern oftmals ausgeblendet oder sogar billigend akzeptiert.
» Kreislaufbeschwerden
Kreislaufbeschwerden sind hier eine Begleiterscheinung, die durch das Ritzen entstehen kann.
» Narben auf der Haut
Die oftmals sehr tiefen Schnitte können zudem dauerhaft sichtbare Narben auf der Haut hinterlassen. Deshalb wählen viele Jugendliche gern Körperstellen aus, die durch Kleidung abgedeckt sind und die damit unerkannt geritzt werden können. Generell werden sowohl Arme und Beine als auch Schultern und Oberschenkel und auch der Bauch für das Ritzen genutzt. Dabei sollte man bedenken, dass je nach Körperstelle auch Muskeln oder größere Blutgefäße durch das Ritzen verletzt werden können.
» Schädliche Keime durch mangelnde Hygiene
Ein weiteres Problem beim Ritzen stellt die mangelhafte Hygiene dar. Wer sich für das Schneiden mit schmutzigen Scherben oder einem dreckigen Messer entscheidet, kann Keime in die Wunde einbringen, die gesundheitliche Probleme nach sich ziehen können.
Aufmerksam werden sollten Eltern immer dann, wenn sich der Jugendliche häufig beim Spülen oder Brotschneiden verletzt oder Argumente anbringt, dass ein Messer beim Schneiden zufällig abgerutscht sei. Gerade sichtbare Verletzungen an Armen und Händen werden gern so erklärt. Dabei gehen Eltern als enge Vertraute davon aus, dass das eigene Kind hier die Wahrheit erzählt. Aufmerksamkeit ist gerade durch das enge Verhältnis und das oftmals bewusste Ausblenden von Problemen wichtig.
Ritzen & Keine Frage der Intelligenz
Wer hofft, dass ein Kind mit hohem Intelligenzgrad oder aber ein Kind aus sogenanntem “guten Hause” weniger Risiken für das Ritzen hat, der irrt. Die Ritzer kommen aus allen Sozialschichten und auch aus allen Bildungsschichten. Überwiegend betroffen sind lediglich Frauen, wobei wissenschaftliche übereinstimmende Erklärungen für dieses ungleiche Verhältnis der betroffenen Geschlechter nicht vorhanden sind. Einzige Erklärungen für die häufiger auftretenden Fälle von Ritzen bei Frauen liegen derzeit darin, dass Frauen mit Aggressionen und Wut anders umgehen als Männer. Während Männer Gefühlen dieser Art häufiger Luft lassen, richten Frauen die Wut und Aggression oftmals nach innen, damit auf den eigenen Körper.
Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass Menschen, die ritzen, traumatische Erlebnisse innerhalb ihrer oftmals sehr jungen Lebensgeschichte zu verzeichnen haben. Sexueller Missbrauch sowie körperliche Misshandlung und seelische Vernachlässigung sind die häufigsten Gründe für das Ritzen.
Ein wichtiger Grund für das Ritzen kann auch ein Verlusterlebnis sein. Die Scheidung der Eltern kann in selbstverletztendem Verhalten verarbeitet werden. Gerade in der Kindheit erlebte Traumata können die Autoaggression hervorrufen, denn in dieser Entwicklungsphase ist der Mensch sehr verletzlich, kann dabei aber Gefühle noch sehr schwer wahrnehmen und auch äußern. So ist das Ritzen das Ventil, um die Probleme und Gefühle in den Griff zu bekommen.
Autoaggression – ein sichtbar gemachter Hilferuf
Wer sich selbst verletzt oder andere autoaggressive Verhaltensweisen zeigt, signalisiert der Außenwelt einen Hilferuf, der verbal nicht formuliert werden kann. Auch wenn der Betroffene heimlich agiert und die Verletzungen vor der Umwelt verstecken möchte, handelt es sich dennoch um einen Hilferuf des Betroffenen. Auch wenn die Betroffenen der Autoaggression häufig Selbstmordgedanken haben, sind die Verletzungen fast nie darauf ausgerichtet, das eigene Leben durch diese Verhaltensweisen zu beenden. Und auch wenn es für Laien nicht verständlich ist, handelt es sich bei der Autoaggression um eine sehr schwer nachvollziehbare Form des Kümmerns um den eigenen Körper. Auf ihre eigene Art sorgen sie für ihn – und dies ist eben nur auf dem Wege des Schmerzes, der einzigen zugänglichen Form, möglich.
Niemals wegschauen!
Hilflosigkeit ist die erste Reaktion, wenn man mit der Autoaggression eines Menschen konfrontiert wird. Daher sind Wegschauen und Vorwürfe die typischen Verhaltensweisen des Umfeldes. Bedenken sollte das Umfeld dabei, dass die Betroffenen sich schon selbst genug Vorwürfe machen und diese nicht noch aus ihrem Umfeld benötigen. Das Verhalten, das sie nicht verhindern können, belastet die Betroffenen schon sehr stark. Unterstützung, Ermutigung und die Suche nach professioneller Hilfe sind die einzigen Möglichkeiten, dem Betroffenen aus dem Teufelskreis herauszuhelfen, den er sich nicht selbst als Lösung gewählt hat.
» Extra-Surftipps
Borderline Forum – http:/forum.rotetraenen.de
Borderline Selbsttest – www.borderlinezone.org
Tipps für Angehörige – www.borderline-plattform.de