Menschen mit extremer Adipositas leiden nicht nur unter ihrem Gewicht. Auch die Atmung während der Nacht kann starke Probleme bereiten. Stichwort Pickwick-Syndrom.
Kennen Sie „Die Pickwickier“ (Originaltitel „The Posthumous Papers of the Pickwick Club“) von Charles Dickens? Der fettleibige Kutscher Little Fat Joe schläft in diesem Buch fast die gesamte Zeit. Dickens schreibt „Er schläft den ganzen Tag. Er schläft beim Gehen ein und schnarcht, wenn er bei Tisch serviert“. Little Fat Joe ist somit laut der Medical Tribune Verlagsgesellschaft mbH das klassische Beispiel für Menschen, die unter dem nach ihm bzw. des Buches benannten Pickwick-Syndroms leiden. Heute auch als Obesitas-Hypoventilationssyndrom bezeichnet, leiden nämlich vor allem Menschen mit starkem Übergewicht unter dieser Form der obstruktiven Schlafapnoe.
Was die genauen Auslöser für das Pickwick-Syndrom sind, wie sich dieses äußert und was gegen diese Erkrankung hilft, haben wir in diesem Beitrag einmal ausführlich zusammengefasst.
Inhaltsverzeichnis
Ursachen für das Pickwick-Syndrom
Die Ursache für das Pickwick-Syndrom ist in erster Linie starke Adipositas, sprich also ein extremes Übergewicht. Von Adipositas spricht man dabei in der Regel, wenn der Body-Mass-Index (BMI) einer Person über 30 kg/m² Körperoberfläche liegt. Wer unter einem extremen Übergewicht leidet, hat somit also nicht selten einen BMI von über 40 oder sogar 50. Und genau dieses Übergewicht sorgt in der Regel für das Obesitas-Hypoventilationssyndrom. Das bedeutet, dass die normale Lungenbelüftung krankhaft vermindert ist.
Symptome des Pickwick-Syndroms
Starkes Übergewicht sorgt dafür, dass die Atmung im Brust-, Bauch- und Halsraum eingeschränkt wird. Es entsteht eine regelrechte Enge in den oberen Atemwegen. Noch dazu erschwert das Fettgewebe das Hochdrücken des Zwerchfells, was wiederum für die Atmung sehr wichtig ist. Und das sorgt gleich für zwei weitere Probleme: Durch die verminderte Belüftung der Lunge kommt es zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff. Obendrein wird auch zu wenig Kohlendioxid ausgeatmet, wodurch der Kohlendioxidgehalt im Blut automatisch negativ ansteigt. Atemaussetzer im Schlaf sind beim Obesitas-Hypoventilationssyndrom zudem keine Seltenheit.
Zusammengefasst bedeutet das also, dass Menschen, die unter dem Pickwick-Syndrom leiden, eine Atemstörung besitzen. Und genau diese zeigt sich vor allem nachts, denn das Bauchfettgewebe verschiebt im Liegen das Zwerchfell in Richtung Lunge. Und das wiederum engt die Atemwege noch mehr ein. Infolgedessen leiden Betroffene aufgrund des nicht erholsamen Schlafes oftmals auch unter:
- Tagesmüdigkeit
- Schlafattacken
- Schlafstörungen
- Kurzatmigkeit
- Kopfschmerzen am Morgen durch den Anstieg von Kohlendioxid im Blut
- Bluthochdruck
Wer unter diesen Symptomen leidet, sollte unbedingt einen Arzt aufsuchen. Denn unbehandelt kann das Pickwick-Syndrom schwere Folgen haben. Aufgrund des ungünstigen Verhältnisses von Sauerstoff und Kohlendioxid im Blut kann z.B. eine Herzinsuffizienz entstehen. Zudem ist das Risiko Schlaganfälle und Herzinfarkte zu erleiden sehr hoch.
Wichtig: Pickwick-Syndrom und COPD nicht vertauschen
Vertauschen Sie das Pickwick-Syndrom nicht mit der Chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Bei COPD kommt es zwar auch zu einer Verengung der Atemwege, dennoch unterscheiden sich COPD und das Pickwick-Syndrom voneinander. Während bei letzterem die Beschwerden vor allem nachts auftreten und durch Übergewicht hervorgerufen werden, ist die Hauptursache für COPD Rauchen. Aber auch Luftverschmutzung oder gefährliche inhalative Schadstoffe am Arbeitsplatz (z.B. Dämpfe, Chemikalien, Staub) können Auslöser sein. COPD-Patienten leiden zudem oftmals auch unter Dauerhusten und Schleimbildung. Noch mehr Informationen über COPD erhalten Sie beispielsweise hier.
So läuft die Diagnose ab
Wenn Sie den Verdacht hegen, unter dem Pickwick-Syndrom zu leiden, dann gehen Sie unbedingt zum Arzt. Starkes Übergewicht ist dabei ein erstes Indiz für das Obesitas-Hypoventilationssyndrom. Eine Blutgasanalyse kann zudem auch Hinweise auf das Pickwick-Syndrom liefern. Denn stimmt die Gasverteilung von Kohlendioxid und Sauerstoff im Blut nicht, sprich also ist der Sauerstoffgehalt zu niedrig und der Kohlendioxidgehalt zu hoch, ist das ein klares Anzeichen dafür, dass mit Ihrer Atmung ein Problem vorliegt. Zusätzlich führen Ärzte in der Regel auch folgende Untersuchungen durch:
- Langzeitblutdruckmessung
- Elektrokardiogramm (EKG)
- Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiografie)
- Lungenfunktionstest
- Röntgenaufnahmen des Brustkorbes
- Polysomnographie (Schlafstudie über Nacht)
Hat sich der Verdacht, dass Sie unter dem Pickwick-Syndrom leiden, bestätigt, kann gleich eine entsprechende Therapie eingeleitet werden.
Therapie des Pickwick-Syndroms
➜ nicht-invasive Beatmung (NIV):
Wer unter dem Pickwick-Syndrom leidet, dem kann eine nicht-invasive Beatmung (NIV) sehr weiterhelfen. Ein Beatmungsgerät entlastet dabei nicht nur die Atemmuskulatur, auch der Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid zwischen dem Blut und der Luft in der Lunge wird verbessert.
➜ Gewicht reduzieren:
Wer unter dem Pickwick-Syndrom und dadurch in der Regel auch unter extremen Übergewicht leidet, sollte unbedingt sein Gewicht reduzieren. Eine Ernährungsumstellung könnte z.B. der erste Schritt in die richtige Richtung sein. Wem das alleine nicht gelingt, der kann sich auch Hilfe suchen und zum Beispiel Kontakt zu einem Ernährungsberater aufnehmen. Einen passenden Ernährungsberater in Ihrer Nähe finden Sie zum Beispiel unter www.dge.de.
Natürlich ist aber auch Bewegung sehr hilfreich dabei die Pfunde purzeln zu lassen. Sie müssen ja nicht gleich ins Fitnessstudio gehen. Es reicht für den Anfang schon aus, wenn Sie jeden Tag einen Spaziergang machen, etwas Fahrrad fahren oder schwimmen gehen. Wenn Ihnen das irgendwann nicht mehr ausreicht, können Sie mit leichten Fitnessübungen starten.
Schaffen Sie es leider nicht Ihr Gewicht zu reduzieren, dann kann auch ein intensives Gespräch mit Ihrem Arzt weiterhelfen. Denn unter Berücksichtigung mehrerer Faktoren wäre es auch möglich eine Operation zur Magenverkleinerung durchführen zu lassen. Dank einer derartigen Operation verlieren Patienten in den ersten zwei Jahren nach der OP durchschnittlich etwa 50 bis 70 Prozent ihres Übergewichts.
➜ Auf Alkohol und Schlafmittel verzichten:
Da Alkohol und Schlafmittel den Atemantrieb zusätzlich vermindern, sollten Sie darauf unbedingt verzichten.
➜ Luftröhrenschnitt:
Bei einer sehr schweren Form des Obesitas-Hypoventilationssyndroms bleibt meist nur noch die Möglichkeit die Beatmung über einen Luftröhrenschnitt zu verbessern.