Rein theoretisch kann fast jeder Mensch an Gürtelrose (Herpes zoster) erkranken, denn nach Angaben des Robert-Koch-Institutes ist bei 95% der deutschen Bevölkerung das auslösende Varicella-Zoster-Virus (VZV) nachweisbar. Dieses Virus verursacht die im frühen Kindesalter verhältnismäßig harmlos verlaufenden Windpocken. Danach verbleiben restliche Viren in den Nervenzellen der Wirbelsäule.
Baut im Alter das Immunsystem ab oder wird der Organismus durch Stress und Krankheit dauerhaft geschwächt, kann es zum Ausbruch der Zweiterkrankung der Windpocken kommen, dem Herpes zoster. Herpes zoster verursacht an den betroffenen Stellen heftige Schmerzen und kann ernsthafte Komplikationen auslösen. In Deutschland wird die Zahl der jährlich an Herpes zoster Erkrankten auf etwa 350 000 geschätzt. Seit ein paar Jahren ist ein Impfstoff gegen Herpes Zoster auf dem Markt, der die Folgen der Krankheit zumindest abzuschwächen vermag.
Inhaltsverzeichnis
Gürtelrose Erreger & Das Varicella-Zoster-Virus
Das Varizella-Zoster-Virus (VZV) gehört zu der Gruppe der Herpesviren und ist eng verwandt mit dem Herpes-Simplex-Virus. Der Mensch ist der einzige natürliche Wirt des VZV. Hinsichtlich der Übertragbarkeit unterschiedet man zwischen der Ersterkrankung (Windpocken) und der Zweiterkrankung (Gürtelrose bzw. Herpes zoster).
- Bei der Ersterkrankung ist das Virus hoch ansteckend und wird als Tröpfcheninfektion über die Luft übertragen.
- Bei der Zweiterkrankung erfolgt die Übertragung des Virus ausschließlich als Schmierinfektion.
Nach der Erstinfektion binden sich die verbliebenen Viren an die Rezeptoren der Nervenfasern und steigen bis in die Spinalganglien oder Ganglien der Hirnnerven auf, wo sie dauerhaft überleben. Die Antikörperbildung erfolgt im Normalfall sehr schnell, sodass der gesunde Organismus nach der Ersterkrankung in der Regel lebenslang immun gegen weitere Erkrankungen durch den Erreger ist. Die schnelle Antikörperbildung bewirkt bei der Zweiterkrankung, dass sich die von Bläschen betroffenen Stellen meistens auf den ersten akut befallenen Nerv beschränken. Eine zweite Gürtelrose ist eher die Seltenheit, zumal die Krankheit auch nicht bei jedem Menschen ausbrechen muss.
Gürtelrose & Wer ist besonders gefährdet?
Das Varizella-Zoster-Virus wird in den häufigsten Fällen nur unter bestimmten Voraussetzungen reaktiviert. Dies ist bei krankheitsbedingter Immunschwäche, nach schweren Infektionen und Operationen, im höheren Alter (ab dem 50. Lebensjahr) und bei Umweltfaktoren wie UV-Strahlung der Fall. Auch Stress, Trauer, Angst und Allergien schwächen die Abwehr und können Herpes zoster auslösen. An Aids erkrankte Patienten oder Menschen, die häufig Immunsuppressiva einnehmen müssen, haben ebenfalls ein hohes Risiko, an Herpes zoster zu erkranken. Bei jungen und gesunden Menschen tritt die Gürtelrose nur sehr selten auf.
Gürtelrose – Symptome und Krankheitsverlauf
Der Begriff Gürtelrose geht auf das Erscheinungsbild der Krankheit zurück.
- Im Regelfall bilden sich Bläschen halbgürtelförmig um den Rumpf herum, wobei meistens der Brustbereich befallen wird.
- In einigen Fällen sind auch der Rücken, das Gesicht oder die Genitalien betroffen.
- Die nebeneinander angeordneten Pusteln enden üblicherweise an der Mittellinie des Rumpfes.
- Herpes zoster beginnt mit Abgeschlagenheit, die von Fieber begleitet werden kann.
- Es folgen stechende Schmerzen, die von den sich verbreitenden Varicella-Zoster-Viren verursacht werden.
Die Viren „wandern“ von Ganglienzellen des Rückenmarks aus über den Nerv in den von ihm versorgten Hautbereich. Ein paar Tage später bilden sich auf der geröteten Haut die charakteristischen, juckenden und brennenden Herpesbläschen, welche später aufplatzen, anschließend eine Kruste bilden und gegebenenfalls vernarben.
Im Normalfall trocknen die Bläschen innerhalb von einer bis zwei Wochen ab und die Haut ist nach zwei bis drei Wochen wieder abgeheilt. In extremen Fällen kann es einen Monat dauern, bis sich die Symptome zurückgebildet haben.
Gürtelrose & Auswirkungen und Komplikationen
Mit zunehmendem Alter erhöht sich das Risiko schwerwiegenderer Komplikationen. Während Herpes zoster bei Kindern nahezu in allen Fällen ausheilt, kann die Krankheit besonders bei älteren und chronisch kranken Menschen einen gefährlichen Verlauf nehmen.
- Die gefürchtete postherpetische Neuralgie (PHN) macht jedem fünften Patienten zu schaffen, der selbst Monate und Jahre nach der Gürtelrose noch starke, chronische Nervenschmerzen empfindet. Die postherpetische Neuralgie tritt häufig auf, wenn bei durch die Gürtelrose auch der Kopfbereich betroffen ist. Die meisten Fälle treten nach dem 50. Lebensjahr auf. Die schwerste Form ist die Allodynie, ein extremer, bereits durch leichte Berührungsreize wie Stoff oder Windhauch ausgelöster Schmerz.
- Bei Beteiligung der Hirnnerven werden selbst die Augen (Zoster ophthalmicus) befallen, was im äußersten Fall zur Erblindung führen kann.
- Gürtelrose im Ohrbereich (Zoster oticus) kann eine vorübergehende Gesichtslähmung verursachen.
- In besonders schweren Fällen und bei starker chronischer Immunschwäche breiten sich die Viren über die gesamte Haut aus und befallen die inneren Organe.
- Seltener sind Hirnhaut- und Gehirnentzündungen.
Gürtelrose & Wie erfolgt die Diagnose?
Je früher Herpes zoster behandelt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Daher sollte bereits bei dem ersten Verdacht der Arzt konsultiert werden – und das am besten, bevor sich die Bläschen bilden. Müdigkeit, erhöhte Temperatur und regional begrenzte Schmerzen im Rumpfbereich sind üblicherweise die ersten Anzeichen.
Die Diagnose lässt sich in den meisten Fällen anhand der Befragung und der charakteristischen Bläschen stellen, die von Schmerzen begleitet werden. Bei atypischen Krankheitsbildern ist eine spezifische Diagnostik notwendig. Dies trifft insbesondere bei Patienten mit andauernder Immunschwäche, Lungenentzündungen oder bei Infektionen während der Schwangerschaft zu. Zudem ist eine Erkrankung durch das Herpes-Simplex-Virus auszuschließen. Die Diagnose erfolgt dann im Labor durch direkten oder indirekten Virusnachweis. Durch die PCR (Polymerase-Ketten-Reaktion) lässt sich in der Bläschenflüssigkeit die DNA des Virus feststellen.
Behandlung bei Gürtelrose
Zur Behandlung der Gürtelrose werden
- Schmerzmittel,
- virushemmende Medikamente (oral oder intravenös),
- austrocknende Hautlotionen
eingesetzt.
Die antivirale Therapie erfolgt je nach Schweregrad durch die Wirkstoffe Aciclovir, Famciclovir und Valaciclovir. Für den Behandlungserfolg ist eine zeitnahe Medikamentengabe notwendig: möglichst innerhalb von 72 Stunden nach den ersten Hautsymptomen. Die Medikamente tragen zu einer schnelleren Abheilung der Bläschen bei und können das Risiko der postherpetischen Neuralgie reduzieren.
» Behandlung bei anhaltenden Schmerzen
Bei darüber hinaus anhaltenden Schmerzen werden unter anderem Wirkstoffe wie Pregabalin, Gabapentin, Carbamazepin, Desipramin oder Amitriptylin verabreicht, die eine postherpetische Neuralgie verhindern können.
» Behandlung nach Alter
Bei jüngeren Patienten mit nur leichten Symptomen im Brustbereich wird von Fall zu Fall entschieden und gegebenenfalls auf die antivirale Therapie verzichtet. Bei älteren Patienten mit Herpes zoster im Kopfbereich erfolgt die antivirale Therapie intravenös.
Um die Übertragung durch Schmierinfektionen zu vermeiden, ist bei der häuslichen Pflege auf besondere Hygiene zu achten. Werden die Bläschen abgedeckt, müssen die Patienten nicht isoliert werden. Es sei denn, der Kontakt erfolgt zu Menschen mit Abwehrschwäche.
» Vorsicht bei Brivudin!
Vorsicht ist beim Arzneistoff Brivudin geboten, der zwar eine schnellere Wirksamkeit zeigt, jedoch auf keinen Fall gleichzeitig oder zeitnah mit dem Zytostatikum 5-Fluoruracil oder anderen 5-Fluorpyrimidinen verabreicht werden darf. Vor dem Hintergrund aufgetretener Todesfälle hat der Hersteller Berlin Chemie / Menarini im August 2012 einen Rote-Hand-Brief zum Risiko potenziell tödlicher Wechselwirkungen zwischen dem Virustatikum Brivudin Zostex® und 5-Fluoropyrimidinen (5-Fluorouracil, Capecitabin, Floxuridin, Tegafur) oder 5-Fluoropyrimidinen (Flucytosin) veröffentlicht: www.bfarm.de
Gürtelrose Prävention
Seit 1996 werden in den USA Kinder gegen Windpocken geimpft. Diese Reihenimpfungen zeigten positive Resultate, zumal eine deutliche Reduzierung der infolge von Windpocken gemeldeten Komplikationen beobachtet wurde. Auf der Basis der Ergebnisse aus den USA erwog die Ständige Impfkommission (STIKO), die Impfung auch in Deutschland zu empfehlen.
Derzeit wird die Impfung gegen Windpocken noch kontrovers diskutiert. So gab auch das Robert-Koch-Institut zu bedenken, dass gegen eine Impfung die
„theoretische Möglichkeit einer impfbedingten Verschiebung der verbleibenden Windpocken-Fälle ins Jugendlichen- und Erwachsenenalter und mithin eine Zunahme der Komplikationen sowie zweitens eine aus dem Wegfall der Kontakte mit dem Wildvirus (= exogener Booster) resultierende transiente Zunahme von Zoster-Fällen“ besteht.
Da sich in den USA keine dieser Befürchtungen bestätigt hatte, empfahl die STIKO nach Abwägung sämtlicher Pro- und Kontra-Argumente ab 2004 die Impfung gegen Windpocken als Standardimpfung für alle Kinder.
» Impfung gegen Herpes Zoster
Seit 2006 ist zudem der Lebendimpfstoff Zostavax zur Vorbeugung gegen die schweren Komplikationen bei Herpes zoster zugelassen. Empfohlen wird der Impfstoff für ältere Menschen ab 60 Jahren.
Dazu das Deutsche Ärzteblatt, Ausgabe 2007; 104(14): A-972 / C-824:
„In einer Phase-III-Studie mit 38 546 Männern und Frauen ab 60 Jahren, die entweder eine Impfstoff- oder Placebo-Dosis erhielten, verminderte Zostavax im Vergleich zu Placebo die Belastung durch zosterbedingte Schmerzen und Beschwerden um 61 Prozent, die Inzidenz von PHN um 67 Prozent und die Häufigkeit von Gürtelrose um 51 Prozent. Zusätzlich verminderte Zostavax die Inzidenz von Gürtelrosen mit intensiven und dauerhaften Schmerzen um 73 Prozent. Die an der Studie teilnehmenden Patienten wurden über einen Zeitraum von drei Jahren nachbeobachtet.“