Im 19. Jahrhundert war die Tuberkulose in Deutschland noch eine weit verbreitete Volkskrankheit, die meistens tödlich endete. Heute hat
die ehemals berüchtigte „weiße Pest“ hierzulande ihren Schrecken verloren, denn durch eine frühzeitige und konsequente Behandlung können Erkrankte vollständig geheilt werden.
Nach Aids zählt die ansteckende Tuberkulose weltweit allerdings zu den Infektionskrankheiten, die am häufigsten zum Tode führen. Statistisch gesehen ist jeder Dritte mit einem der Erreger infiziert. Jährlich sterben immer noch fast zwei Millionen Menschen.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Tuberkulose weltweit auf dem Vormarsch
- 2 Tuberkulose: Rückgang in Deutschland erschwert Diagnose
- 3 Die Erreger & der Mycobacterium-tuberculosis-Komplex
- 4 Übertragungswege der Tuberkulose
- 5 Immunabwehr bei Tuberkulose
- 6 Tuberkulose: Ansteckung und Inkubationszeit
- 7 Tuberkulose: Symptome und Krankheitsverlauf
- 8 Tuberkulose: Diagnose
- 9 Therapie bei Tuberkulose
- 10 Tuberkulose: Prävention
Tuberkulose weltweit auf dem Vormarsch
Tuberkulose tritt vor allem in ärmeren Ländern auf. Dort sind die notwendigen Medikamente unerschwinglich und teilweise nicht erhältlich. Zudem besteht für Patienten mit HIV-Infektion ein hohes Risiko, an der Tuberkulose zu erkranken. Speziell in Afrika potenzieren sich beide Krankheiten gegenseitig. Dort ist die Tuberkulose auf dem Vormarsch. Eine signifikante Zunahme an Neuinfektionen verzeichnet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) außerdem in den GUS-Staaten, wo in den letzten Jahrzehnten das staatliche Engagement im öffentlichen Gesundheitswesen deutlich nachgelassen hat. Die starke Zunahme der Neuinfektionen ist laut WHO nicht nur der mangelnden Ernährung, unzureichenden hygienischen Bedingungen und schlechten medizinischen Versorgung zuzuschreiben, sondern auch der Tatsache, dass sich immer mehr antibiotikaresistenten Erregerstämme verbreiten. Die Behandlung der Tuberkulose erfolgt daher mit mehreren Medikamenten gleichzeitig. In den westlichen Industriestaaten sind selbst schwere Fälle der Tuberkulose gut in den Griff zu kriegen. In Deutschland erkranken laut Statistik des Robert-Koch-Instituts derzeit jährlich etwa 4.000 Menschen an der Tuberkulose. Die Krankheit bricht hauptsächlich bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem, bei extremem Untergewicht, Mangelernährung und bei Alkoholismus aus. Auch obdachlose Menschen sind aufgrund der schlechten Lebensbedingungen betroffen.
Tuberkulose: Rückgang in Deutschland erschwert Diagnose
Die im weltweiten Vergleich verschwindend geringe Zahl an Neuinfektionen in Deutschland führt allerdings dazu, dass Tuberkulose nicht immer eindeutig diagnostiziert werden kann, zumal nicht bei jedem infizierten Patienten die Krankheit tatsächlich ausbrechen muss. Gesunde und junge Menschen können jahrelang und beschwerdefrei mit dem Erreger leben. Die Krankheit ist jedoch hochansteckend und wird durch Tröpfcheninfektion übertragen. Bricht die Krankheit aus, sind die ersten Symptome nicht immer eindeutig. Abgeschlagenheit, Fieber, Husten: Das kann im Winter auch eine normale Erkältungskrankheit sein. Aus diesem Grund denken viele Ärzte erst gar nicht an die Möglichkeit, dass sie es mit einem Tuberkulose-Patienten zu tun haben.
Die Erreger & der Mycobacterium-tuberculosis-Komplex
Erreger der Tuberkulose sind stäbchenförmige Bakterien, die sich im Gegensatz zu anderen Bakterien (alle 10 bis 20 Minuten) im Durchschnitt nur etwa alle 20 Stunden teilen. Die den Menschen betreffenden Bakterien werden als Mycobacterium-tuberculosis-Komplex bezeichnet. Dazu gehören die Arten
- Mycobacterium tuberculosis,
- Mycobacterium bovis,
- Mycobacterium africanum,
- Mycobacterium microti,
- Mycobacterium canetti
- und Mycobacterium pinepedii.
Der häufigste Erreger ist Mycobacterium tuberculosis. Für Mycobacterium tuberculosis und Mycobacterium africanum sind Menschen die einzigen relevanten Wirte. Für Mycobacterium bovis bilden Menschen, Rinder und einige Wildtiere das Reservoir.
Mycobacterium tuberculosis widersteht schwachen Desinfektionsmitteln und wird aufgrund seiner Färbeeigenschaften nach der Behandlung mit saurer Lösung als säurefestes Stäbchen bezeichnet. Der Nachweis erfolgt üblicherweise über die „Ziehl-Neelsen-Färbung“, wobei sich das rot gefärbte Bakterium von dem blauen Hintergrund abhebt. Weitere Nachweismethoden sind die Fluoreszenzmikroskopie die Auramin-Rhodamin-Färbung.
Übertragungswege der Tuberkulose
Die Bakterien werden hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion übertragen. Die Erreger werden eingeatmet oder gelangen über offene Wunden und Schleimhäute in den Blutkreislauf.
» Übertragung über die Nahrung
Auch eine Aufnahme über die Nahrung ist möglich. Dies ist zum Beispiel bei infizierten Rindern der Fall, deren Milch konzentriert Mykobakterien enthält. In Europa sind solche Fälle jedoch äußerst selten, da kaum noch Rinder infiziert sind und Kuhmilch grundsätzlich pasteurisiert wird, bevor sie in den Handel kommt.
» Übertragung bei Operationen
Die Erreger können ebenfalls über Schmierinfektionen, Bluttransfusionen oder bei Operationen (Transplantation infizierten Gewebes oder Organen) übertragen werden. Ebenfalls möglich ist die Übertragung während der Geburt auf das Kind, wenn die Mutter an einer Urogenitaltuberkulose erkrankt ist.
Das am weitesten verbreitete Mycobacterium tuberculosis siedelt sich hauptsächlich in der Lunge an, da die Erreger durch die Tröpfcheninfektion eingeatmet werden. Meistens geht eine Infektion von einem erwachsenen Menschen aus, weil die geringe Menge der von Kindern ausgehusteten Bakterien für eine Ansteckung nicht ausreicht.
Immunabwehr bei Tuberkulose
Der Abwehrmechanismus des Immunsystems setzt in den Lungenbläschen an. Dabei nehmen die Fresszellen die Mykobakterien in sich auf, ohne sie allerdings abzutöten. Daher werden die Infektionsherde durch zusätzliche, in mehreren Schichten hintereinander angeordnete Abwehrzellen isoliert. Diese Zellgebilde führen im Entzündungsherd zum Absterben des Gewebes, wodurch die für die Tuberkulose typische „verkäsende Nekrose“ – auch Granulom genannt – entsteht. Die eingeschlossenen Erreger verlangsamen ihren Stoffwechsel, teilen sich noch langsamer und können so Jahre überleben, ohne dass die Tuberkulose jemals ausbricht. Statistiken zufolge erkrankt nur etwa jeder zehnte infizierte Mensch.
» Offene Tuberkulose
Aus den Granulomen entstehen häufig größere Kavernen. Diese Hohlräume werden durch Einschmelzung des abgestorbenen Gewebes gebildet. Granulome und Kavernen sind auf dem Röntgenbild erkennbar. Mit zunehmender Anzahl der Kavernen, die sich zudem entzünden können, steigt jedoch das Risiko, an weiteren Infektionen und letztendlich an der Tuberkulose zu erkranken. Besteht eine offene Verbindung zwischen Kavernen und Atemwegen, spricht man von der „offenen Tuberkulose“. Die Patienten sind hoch infektiös und müssen isoliert im Krankenhaus behandelt werden.
Auch bei gesunden, zuvor infizierten Menschen können die Bakterien aus einer passiven Primärinfektion heraus etwa durch Schwächung des Immunsystems nach Jahren wieder aktiviert werden und es kommt zum Ausbruch der Tuberkulose. Ebenso gut kann es sich um eine Neuinfektion durch einen anderen Erregerstamm handeln. Das zeigt, dass der Mensch nach einer Infektion durch die Tuberkulose auslösenden Mykobakterien nicht immun ist wie etwa nach einer Windpocken-Erkrankung. Daher machen Impfungen bislang wenig Sinn. Die bis 1998 übliche Schutzimpfung mit einem abgeschwächten Mykobakterien-Impfstamm wurde aufgrund mangelnder Effizienz eingestellt.
Tuberkulose: Ansteckung und Inkubationszeit
Zwischen Infektion und einer deutlich messbaren Immunabwehr vergehen etwa sechs bis acht Wochen. Nur rund 10 Prozent der Infizierten erkrankt an einer ernsthaften Tuberkulose, denn normalerweise kann ein gesunder Organismus die Erreger erfolgreich bekämpfen. In den ersten zwei Jahren nach der Infektion ist das Risiko einer Erkrankung am größten. Besonders immungeschwächte Patienten und Kleinkinder erkranken direkt nach einer Infektion.
Das in Deutschland und den westlichen Industrieländern am häufigsten verbreitete Mycobacterium tuberculosis ist in den meisten Fällen der Verursacher der Lungentuberkulose.
Von Patienten mit offener Lungentuberkulose geht die größte Ansteckungsgefahr aus. Die Erreger finden sich vor allem im ausgehusteten und abgesaugten Bronchialsekret. Kleinere Kinder bis zehn Jahren haben einen schwächeren Hustenstoß, weshalb kaum Erreger nachgewiesen werden können. Mit Medikamenten behandelte Patienten sind nach der Infektion durch einen nicht resistenten Bakterienstamm in der Regel nach drei Wochen nicht mehr infektiös. Bei ausgeprägteren Formen der Tuberkulose sowie bei Komplikationen durch antibiotikaresistente Erreger kann die Ansteckungsfähigkeit länger andauern.
Tuberkulose: Symptome und Krankheitsverlauf
Grundsätzlich befallen die Erreger die Lungen. Es können ebenfalls Organe (Organtuberkulose) und das Knochenmark (insbesondere die Wirbelsäule) betroffen sein. Hinsichtlich der Lungentuberkulose wird der Krankheitsverlauf in folgende Stadien eingeteilt:
- Primärtuberkulose oder geschlossene Tuberkulose
Nach der Ansteckung erfolgt innerhalb der nächsten sechs Wochen die Immunabwehr. In der Lunge bilden sich die typischen Granulome (Tuberkel = lat. „kleines Geschwulst“). Die isolierten Entzündungsherde verursachen so lange keine Beschwerden, bis die Bakterien durch Krankheit oder Immunschwäche aktiviert werden. Wenn die Entzündungsherde nicht offen mit den Atemwegen verbunden sind, spricht man von der „geschlossenen Tuberkulose“. Die Erreger können nicht nach draußen gelangen, weshalb diese Form der Tuberkulose nicht ansteckend ist.
Gelingt es dem Organismus nicht, die Mykobakterien dauerhaft abzukapseln, oder werden bereits isolierte Erreger reaktiviert, breiten sich die Bakterien immer weiter aus und es treten die für die typischen Symptome auf. Dies sind:
- Müdigkeit und Schwäche
- Appetitlosigkeit
- Gewichtsabnahme
- Geschwollene Lymphknoten
- Fieber
- Nachtschweiß
- Ständiges Hüsteln, meist noch ohne Auswurf
- Heiserkeit
Gelangen bei immungeschwächten Patienten Erreger vermehrt in die Blutbahn und sind gleichzeitig beide Lungen sowie mehrere Organe betroffen, handelt es sich um die sogenannte Militärtuberkulose. Auf diese Weise kann auch die tuberkulöse Meningitis (Hirnhautentzündung) verursacht werden.
Die Meningitis ist zunächst durch Wesensveränderung gekennzeichnet. Üblicherweise folgen Symptome wie
- Kopfschmerzen
- Nackensteifheit
- Bewusstseinsstörungen und Halluzinationen
- Krampfanfälle
- Fieber
- Sepsis bei extremer Immunschwäche
- Koma
Unbehandelt führt eine tuberkulöse Meningitis zum Tod.
- Postprimäre oder sekundäre Tuberkulose
Bei etwa zehn Prozent der Infizierten bricht die Tuberkulose weit nach der Ansteckung aus. Der Krankheitsverlauf wird von typischen Symptomen begleitet:
- Abgeschlagenheit
- Müdigkeit
- Nachtschweiß
- Entzündungsbedingte erhöhte Temperaturen und Fieber
- Lang anhaltender Husten mit gelblich-grünem Auswurf
- Beim Husten Schmerzen in der Brust
- Atemnot
- Blutiger Auswurf
Bei blutigem Auswurf muss umgehend ein Arzt konsultiert werden, da dies der Hinweis auf eine offene Tuberkulose ist.
Im fortgeschrittenen Stadium können die Erreger vermehrt in die Blutbahn gelangen und Organe befallen. Nicht selten ist der Verlauf durch eine Knochentuberkulose charakterisiert, die sich in Gelenkschwellungen zeigt.
Seltener ist die Hauttuberkulose. Symptome sind
- Nicht heilende kleine Wunden
- Hautrisse
- Eiterherde
- Geschwüre
Tuberkulose: Diagnose
Die Symptome einer Tuberkulose-Erkrankung zeigen sich erst im fortgeschrittenen Stadium, nämlich dann, wenn die Bekämpfung durch das Immunsystem versagt. Da die typischen Anzeichen dem eines grippalen Infekts ähneln, wird die Tuberkulose oft nicht erkannt. Erschwert wird die genaue Diagnose durch die Tatsache, dass Tuberkulose in Deutschland kaum noch auftritt und mit etwa 4.000 gemeldeten Erkrankungen pro Jahr deutlich zurückgeht. Eine nicht diagnostizierte und daher falsch behandelte Tuberkulose kann bei schwerem Verlauf jedoch zum Tode führen. Deswegen sollte bei den geringsten Anzeichen – spätestens aber beim blutigen Auswurf – dringend der Hausarzt oder ein Lungenfacharzt konsultiert werden. Über das Internetnetportal Lungenfachärzte im Netz (http:/www.lungenaerzte-im-netz.de/aerzte/) finden Betroffene mehrere Fachärzte in ihrer Umgebung.
Wird eine Tuberkulose vermutet, erfolgt durch Befragung eine Infektionsanamnese und die Erreger werden mittels
- Tuberkulin-Hauttestung,
- mikroskopischem Nachweis,
- Interferon-Gamma-Test,
- Gewebsuntersuchungen
nachgewiesen. Eine fortgeschrittene Lungentuberkulose ist zudem im Röntgenbild erkennbar. Bei gesicherter Diagnose ist der Arzt gesetzlich zur Meldung an das entsprechende Gesundheitsamt verpflichtet. Dieses wendet sich an die Kontaktpersonen, um mögliche Infektionen auszuschließen bzw. weitere Infektionen zu verhindern.
Therapie bei Tuberkulose
Durch die langsame Teilung können die Erreger eine effektivere Resistenz gegenüber Antibiotika entwickeln. Aus diesem Grund wird die Tuberkulose mit mehreren speziell gegen Mycobacterium tuberculosis entwickelten Antituberkulotika behandelt. Um Rückfälle auszuschließen, muss die Therapie unbedingt über den verordneten Zeitraum erfolgen. Die regelmäßige Einnahme ist Voraussetzung. Bestehen Zweifel an der Zuverlässigkeit des Patienten, muss die Einnahme ärztlich überwacht werden. Zur kombinierten Behandlung stehen derzeit (Stand 2012) folgende Medikamente zur Verfügung:
- Isoniazid
- Rifampicin
- Ethambutol
- Pyrazinamid
- Streptomycin
Bei Resistenz oder Unverträglichkeit wird auf Zweitrangmedikamente zurückgegriffen.
Im Zuge der Standard-Kurzzeit-Therapie erfolgt die Behandlung als 6-monatige Chemotherapie. Während der 2-monatigen Initialphase werden Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol (oder Streptomycin) verabreicht. Während der anschließenden 4-monatigen Stabilisierungsphase werden die Patienten nur noch mit Isoniazid und Rifampicin behandelt. Die Therapie ist sowohl für Erwachsene als auch für Kinder vorgesehen. Die Medikamente werden als tägliche Einzeldosis oral eingenommen.
Treten Komplikationen auf (bei Organtuberkulose oder bei immungeschwächten Patienten z.B. durch HIV-Infektion), wird eine längere Therapie empfohlen. Da die verschriebenen Medikamente vereinzelt zu schweren Nebenwirkungen führen, sind regelmäßige Kontrollen durch Fachärzte notwendig.
Tuberkulose: Prävention
Seit 1998 wird die BCG-Impfung gegen Tuberkulose von der Ständigen Impfkommission (STIKO) nicht mehr empfohlen. Zum einen gewährleistet der Impfstoff nur eine begrenzte Wirksamkeit, zum anderen kam es in der Vergangenheit relativ oft zu Impfkomplikationen.
Zudem sind Tuberkuloseerkrankungen in Deutschland derzeit rückläufig. Auch Röntgenreihenuntersuchungen sind aufgrund der Strahlenbelastung nicht mehr empfehlenswert.
Umso wichtiger ist eine schnelle Entdeckung und Isolierung infektiös Erkrankter, um eine Ausweitung der Tuberkulose zu vermeiden. Die gute medizinische Versorgung, ein hoher Lebensstandard, moderne Hygiene und die gesetzliche Meldepflicht in Verbindung mit der Untersuchung von Kontaktpersonen tragen in Deutschland dazu bei, dass die Zahl der an Tuberkulose Erkrankten immer weiter abnimmt.